Karl Jaspers | Wohin treibt die Bundesrepublik?
„Alle vier Jahre wählt es den Bundestag. Die ihm von den Parteien vorgelegten Listen oder Personen sind schon vorher durch die Parteien gewählt. Der Vorgang dieser verborgenen Vorwahl, die die eigentliche Wahl ist, ist verwickelt; die Namen für die Wahlkreislisten und die Landeslisten werden nicht auf gleiche Weise aufgestellt. Immer aber sind es die Parteigremien, nie das Volk, das an diesem entscheidenden Anfang beteiligt wäre. Man muss Parteimitglied sein, um bei dieser Wahl irgendwo mitwirken und um aufgestellt werden zu können. Auch wer Parteimitglied ist, hat als solches eine geringe Wirkung bei den Nominierungen. Entscheidend wählt die Parteienhierarchie und Bürokratie.[…] Selbst die Wahlen sind keine eigentlichen Wahlen, sondern Akklamation zur Parteienoligarchie. [….] Die Parteien, die keineswegs der Staat sein sollten, machen sich, entzogen dem Volksleben, selber zum Staat [….] Die Staatsführung liegt in den Händen der Parteienoligarchie [….] Ihre durch keine Spannung zu anderer Macht eingeschränkte Stellung verführt [….] die Parteien wollen durch ihre eigenen Leute die Plätze besetzen. Das ist der Lohn für die Parteiarbeit, die Beute des Siegers nach der Wahlschlacht [….]“
Karl Jaspers